Desinformation zählt zu den größten Herausforderungen unserer Zeit und stellt eine wachsende Gefahr für demokratische Systeme dar. Durch gezielte Falschinformationen und die kognitive Beeinflussung des Informationsraums wird versucht, gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen, politische und soziale Polarisierung zu verstärken. Weiterhin werden mit Hilfe von Mis- und Desinformationen wirtschaftliche Strukturen destabilisiert und das Vertrauen in öffentliche Institutionen von Demokratien untergraben.
Obwohl Desinformation mittlerweile als allgegenwärtiges Phänomen erscheint, bleibt ihre begriffliche Schärfung häufig unzureichend. Die Reaktionen politischer Akteure – sowohl auf EU-Ebene als auch in der Bundesrepublik – wirken weiterhin auffallend defensiv. Teile der institutionellen Landschaft scheinen das Ausmaß kognitiver Kriegsführung auf öffentliche Debatten und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Kontext des russischen Informationskriegs noch immer nicht vollständig erfasst zu haben.
Strategische Kommunikationsstrategien und eine robuste Informationspolitik müssen daher stärker in den Fokus staatlichen Handelns rücken. Neben einer verlässlichen und ausreichenden finanziellen Ausstattung sind eine kohärente Gesamtstrategie sowie eine kontinuierliche wissenschaftliche Begleitung unerlässlich.
Die Forschung liefert bereits heute umfangreiche Analysen zu russischen Desinformationsaktivitäten – sowohl im Umfeld zentraler Wahlkämpfe als auch als permanente Begleiterscheinung im politischen Diskurs. Gleichzeitig erhöhen technologische Entwicklungen wie der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die dominierende Rolle US-amerikanischer Social-Media-Plattformen und die europäische Abhängigkeit von diesen Technologien die Verwundbarkeit des Informationsraums erheblich.
Mit Julia Smirnova, Senior Researcherin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), und Hannah Schimmle, Desinformationsanalystin bei Polisphere, bot die Auftaktkonferenz gebündelte wissenschaftliche Expertise sowie Einblicke in aktuelle Datenanalysen und Monitoring-Ansätze.
Die Beiträge verdeutlichten, wie Desinformation und Informationskrieg demokratische Strukturen unter Druck setzen und mithilfe vielschichtiger Zugänge gezielt Narrative verschieben, gesellschaftliche Stimmungen beeinflussen und einzelne Milieus adressieren. Das übergeordnete Ziel bleibt dabei eindeutig: die Erosion demokratischer Konsensfähigkeit und die Schwächung einer kompromissorientierten Gesellschaft.
Konkret belegen öffentlich gewordene Dokumente, dass russische Desinformationsakteure konsequent darauf abzielen, das Wahlergebnis der AfD zu steigern sowie Misstrauen gegenüber EU und NATO zu schüren und deren politische Handlungsfähigkeit zu unterminieren. Die eingesetzten Instrumente sind vielfältig: Die massenhafte und kostengünstige Produktion manipulativer Inhalte – etwa durch KI-generierte Videos – ist lediglich ein Baustein in einer breiten propagandistischen Toolbox.
Wirksame Gegenmaßnahmen umfassen
- den systematischen Ausbau von Kommunikations- und Medienkompetenz in Schulen
- die Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure
- die gezielte Zusammenarbeit mit der OSINT-Community
- eine engere Verzahnung mit der Ukraine und den baltischen Staaten, die über umfangreiche Erfahrungen mit russischen hybriden Angriffen verfügen
- die Förderung eines stärkeren individuellen Verantwortungsbewusstseins im Umgang mit Informationen.
Konkrete Empfehlungen an staatliche Stellen (angelehnt an die Präsentation von Julia Smirnova, CEMAS):
- nicht nur reaktiv und defensiv antworten (Russland Desinformationskampagnen nicht als unschlagbar begreifen)
- Desinformation als Teil eines größer angelegten Angriffs begreifen, deshalb eine robuste Strategie entwickeln
- Einflusskampagnen finden nicht nur online statt: (politische) Entscheidungsträger:innen, Diplomat:innen, Wissenschaftler:innen stehen im Mittelpunkt von ausländischen Einflusskampagnen – gezielte Prävention gegen sog. „aktive Maßnahmen“
