Die Macht der großen Technologiekonzerne in Deutschland wächst stetig – und mit ihr die Sorgen über deren Einfluss auf Demokratie, Datenschutz und Wettbewerb. Von Meta über Google bis hin zu Elon Musks X-Plattform: Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen zeigt, wie amerikanische Tech-Giganten deutsche Politik und Gesellschaft beeinflussen.
Meta: Datenschutzverstöße als Geschäftsmodell
Der Datenschutzskandal nimmt kein Ende
Meta, der Konzern hinter Facebook und Instagram, steht weiterhin massiv in der Kritik wegen seiner Datenschutzpraktiken. Das Landgericht Leipzig sprach im Juli 2025 einem Facebook-Nutzer 5.000 Euro Schadensersatz zu, da Meta dessen Daten ohne Erlaubnis gesammelt, übertragen und ausgewertet hatte. Das Gericht betonte, dass bereits die abstrakte Gefahr eines Profilings einen ersatzfähigen Schaden begründe.
Besonders problematisch sind Metas „Business Tools“, die auf zahllosen deutschen Websites eingesetzt werden. Diese Tools werden von einer erheblichen Zahl der reichweitenstärksten deutschen Websites und Apps eingesetzt, von Nachrichtenportalen über Online-Shops bis hin zu medizinischen Beratungsangeboten. Nutzer werden so „nahezu komplett ausspioniert“, wie Rechtsexperten kritisieren.
KI-Training mit europäischen Daten
Die Verbraucherzentrale NRW hat Meta bereits zum zweiten Mal abgemahnt, weil das Unternehmen seit dem 27. Mai 2025 Daten von Facebook- und Instagram-Nutzern in der EU für das Training seiner Künstlichen Intelligenz verwendet. Trotz Protesten hält Meta an diesem Vorhaben fest und stellt lediglich ein Widerspruchsformular zur Verfügung.
Google: Der digitale Monopolist
Kartellrechtliche Verurteilungen häufen sich
In einem wegweisenden Urteil hat ein US-Bundesgericht Google zu einem Monopolisten erklärt und festgestellt, dass das Unternehmen seine Marktmacht missbraucht hat, um die Monopolstellung illegal abzusichern. Auch in Deutschland greift das Bundeskartellamt durch: Google hat sich im April 2025 gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, verschiedene Wettbewerbsbeschränkungen bei den Google Automotive Services und bei der Google Maps Platform abzustellen.
Das Bundeskartellamt räumte Nutzerinnen und Nutzern bessere Wahlmöglichkeiten bei der Verarbeitung ihrer Daten durch Google ein als Ergebnis eines Verfahrens auf der Basis des kartellrechtlichen Instruments gegen große Digitalkonzerne.
Manipulation der Suchergebnisse
Googles Macht über Informationen wird zunehmend missbraucht. Der E-Mail-Anbieter Tuta berichtet, dass Google den Dienst im März 2024 absichtlich für mehr als drei Monate in seinen Suchergebnissen heruntergestuft hat, ohne Vorwarnung oder Erklärung. Dies zeigt, wie Google seine monopolistische Kontrolle nutzt, um Konkurrenten zu schädigen.
Microsoft: Digitale Abhängigkeit durch die Hintertür
Die Delos-Cloud-Kontroverse
Die öffentliche Verwaltung soll in die „digital-souveräne“ Delos-Cloud, die jedoch auf Microsoft Azure und Microsoft 365 aufbaut. Kritiker warnen vor einer gefährlichen Abhängigkeit: Microsoft-Azure-Technologie kann in den Rechenzentren nicht abgeschottet laufen, da für Software-Updates eine Netzwerkverbindung mit Microsoft-Servern erforderlich ist.
Schrems II und Datenschutzprobleme
Das Schrems II-Urteil des Europäischen Gerichtshofs befand, dass durch die Zugriffsmöglichkeiten der US-Behörden die Anforderungen an den Datenschutz bei einer Übermittlung personenbezogener Daten nicht gewährleistet seien. Trotz Microsofts Beteuerungen bleiben die strukturellen Probleme durch den US Cloud Act bestehen.
Explodierende Kosten
Allein im Zeitraum von 2015 bis 2021 haben sich die Ausgaben der Bundesverwaltung für Microsoft fast verfünffacht. Die Ressorts der Bundesregierung steigerten ihre Ausgaben für Software-Lizenzen von rund 771 Millionen Euro im Jahr 2022 auf über 1,2 Milliarden in 2023.
Elon Musk: Wahlkampf für die AfD
Direkte Einmischung in deutsche Politik
Elon Musks kommunikative Interventionen haben die mediale Präsenz von Alice Weidel und der AfD substanziell erhöhtund stellen eine besonders gelungene Form des Agenda Settings dar. Seine Unterstützung für die AfD erfolgt systematisch und strategisch.
Am 9. Januar 2025 führte Musk einen Live-Talk mit AfD-Chefin Alice Weidel auf X durch, bei dem er sie als „leading candidate to run Germany“ bezeichnete, obwohl sie keine realistische Chance auf das Kanzleramt hat.
Medialer Aufruhr
Musks Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“, in dem er explizit zur Wahl der AfD aufrief, führte zum Rücktritt der Meinungsressort-Leiterin Eva Marie Kogel. European Commission officials monitored Musk’s talk with Weidel, checking for violations of the Digital Services Act regarding hate speech and election-related misinformation.
Die Bundesregierung nimmt Musks Einmischung zur Kenntnis, sieht aber keine direkten Konsequenzen vor, da Meinungsfreiheit auch auf X gelte.
Amazon: Ausbeutung als System
Überwachung und schlechte Arbeitsbedingungen
Mit Apps, Scannern und Kameras sammelt Amazon permanent Daten über seine Beschäftigten. So ist der Versandhändler darüber informiert, wo sich einzelne Angestellte befinden, ob sie sich unterhalten, wann sie pausieren oder wie viel Zeit sie für eine Aufgabe benötigen. Die taz berichtet über „fatale Überwachung“ bei Amazon, bei der sogar Mittagspausen durch Sicherheitsschleusen verkürzt werden.
Verweigerung von Tarifverträgen
Die Beschäftigten streiken regelmäßig an sieben Standorten in Deutschland für tarifvertraglich geschützte Arbeitsbedingungen, doch Amazon verweigert weiterhin einen Tarifvertrag. UNI Global Union bezeichnet den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen als weltweite Bewegung gegen „nahezu totale Überwachung“.
Millionenschwere Imagekampagnen
Um sein Image aufzupolieren, hat Amazon im Jahr 2021 eine millionenschwere Kampagne finanziert und Werbung in deutschen Zeitungen im Wert von 8,1 Millionen Euro geschaltet – das Siebenfache der offiziellen Lobbyausgaben.
Palantir: Überwachungstechnologie für deutsche Behörden
Massive Datensammlung ohne Verdacht
Die Software wird auch für deutlich weniger gemeingefährliche Situationen genutzt als ursprünglich vorgesehen, kritisieren Datenschützer.
Peter Thiel als problematischer Akteur
Der Tech-Milliardär Peter Thiel gilt als rechtskonservativ, ist Unterstützer von Donald Trump und wurde als „Demokratiefeind von besonders bedrohlichem Kaliber“ bezeichnet. Thiel schrieb bereits 2009, dass er Freiheit und Demokratie für nicht miteinander vereinbar halte.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz von Palantir eingereicht: „Bayerns Polizei überwacht massenweise Menschen, die sich noch nie einer Straftat verdächtig gemacht haben – ohne Transparenz, Kontrollmechanismus und Schutz vor Diskriminierung“. Campact führt eine Petition gegen den Palantir-Einsatz, da befürchtet wird, dass sensible Daten an US-Geheimdienste abfließen könnten.
Big Tech Lobbyarbeit: 113 Millionen Euro gegen EU-Regulierung
Rekordausgaben für Einflussnahme
Die Digitalindustrie gibt in Brüssel mehr als 113 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus und übertrumpft damit die Ausgaben der Pharmaindustrie, Fossilwirtschaft und des Chemiesektors. Google, Facebook und Microsoft geben dabei über fünf Millionen Euro pro Jahr aus – 2010 lag ihr Budget noch unter einer Million.
Kampf gegen DSA und DMA
Die Konzerne versuchen mit allen Mitteln, den Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) zu verwässern, die ihre Geschäftsmodelle erheblich beeinträchtigen könnten. Ein Fünftel aller Teilnehmer an EU-Kommissions-Workshops gaben nicht an, dass sie enge Verbindungen zu Big Tech-Unternehmen haben.
Trump droht mittlerweile mit Zöllen gegen die EU-Regulierung von Big Tech, was zeigt, wie ernst die US-Regierung den europäischen Regulierungsdruck nimmt.
Fazit: Demokratische Kontrolle dringend nötig
Die Recherche zeigt ein beunruhigendes Bild: Tech-Konzerne nutzen ihre Markt- und Finanzmacht, um deutsche und europäische Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Von Datenschutzverstößen über Wahleinmischung bis hin zu Arbeiterausbeutung – die Macht dieser Unternehmen bedroht grundlegende demokratische Prinzipien.
Der Digital Services Act (DSA) bietet vielfältige Interventionsmöglichkeiten gegen die beschriebenen Dynamiken einer digitalen Aufmerksamkeitsökonomie. Doch die Durchsetzung bleibt eine Herausforderung angesichts der enormen Lobby-Ressourcen der Konzerne.
Die Politik muss handeln: Strengere Kontrollen, transparentere Lobbyregeln und konsequente Durchsetzung des Datenschutzes sind überfällig. Die digitale Souveränität Deutschlands und Europas steht auf dem Spiel.
Quellen und weiterführende Links:
